15 Aug Erlebnisbericht aus dem Ridnauntal im August 2016
Unsere Zeit bei der Bergbäuerin in Südtirol
Für mein drittes Mal als Helferin auf dem Bergbauernhof im Ridnauntal nahm ich meinen Bernhard mit. Natürlich fragt man sich im Vorfeld: Soll ich meine Freizeit opfern, um woanders zu arbeiten? Aber wir kamen zu dem Schluss, ja, dass es das Wert ist. Wir wollen nicht nur konsumieren, die wunderbare Kulturberglandschaft genießen, sondern auch denen etwas zurückgeben, die diese typische südtiroler Landschaft in harter Arbeit erhalten und bewirtschaften.
Beworben haben wir uns bei der www.bergbauernhilfe.it und haben den mir schon bekannten Hof in Mareit als Wunschort angegeben. Als Einsatzart waren wir flexibel, von „Heuernte“ bis „alles, was anfällt“.
Die Bäuerin vom Hof, war erfreut, dass wir gerade zum „Groamat“ Zeit fanden und so hofften wir alle auf schönes, sonniges Wetter.
Unser Arbeitstag begann gar nicht so früh: wach wurden wir als unter unserem Schlafzimmer die Milchmaschine zu laufen begann. Und als wir dann in die Kuchl kamen stand schon der italienische Espressokaffee auf dem Herd neben einem Haferl frischer Kuhmilli.
Die Bäuerin kam dann vom Stall und wir haben zusammen ausgiebig gefrühstückt und besprochen, was an diesem Tag anlag.
Zuerst einmal Kühe austreiben. Alle 4 Kühe und der Esel Fridolin durften morgens auf die „Weide“, ein steiler Berghang, auf dem sie zwischen Bäumen und Buschwerk feine Berggräser fanden. Das dauerte schon seine Zeit, denn nicht alle Kühe gingen so, wie man es von ihnen erwartete und hatten durchaus ihren eigenen Kopf – angetrieben von dem frechen Esel, der in seinem Übermut der einen oder anderen Kuh ins Hinterteil zwickte.
Anschließend ging es dann aufs „Feld“, steile Wiesenleiten die in manchen Teilen bis 60 Grad steil waren. Als erstes wurde das am Vortag gemähte Gras „umverteilt“, gleichmäßig über die ganze Fläche verbreitet. Das mitgebrachte Trinkwasser in der Petflasche wurde dabei immer ein Stück weiter nach unten geworfen. Leider kam es vor, dass bei dieser Steilheit die Flasche zu weit rutschte und man so erst einige Zeit später, als man am Fuße des Hangs ankam, wieder etwas zu trinken bekam…. Anschließend wurde der nächste Teil der Wiese, der schon am Vortag umverteilt wurde, „gekehrt“, also gewendet.
Das Mittagessen war immer fein: je nach Köchin, entweder etwas typisch Südtirolerisches, wie Schlutzkrapfen mit Butter und Parmesan oder eben etwas typisch Bayerisches. Danach erst einmal Pause bis die Kühe lauthals verkündeten, dass ihnen heiß und die Fliegen zu lästig waren und sie endlich wieder in den kühlen Stall wollten. Also haben wir sie wieder nach Haus geholt und ihnen ein bisschen Lekki gegeben, damit sie still hielten, während wir ihnen die Glocken abnahmen.
Am Nachmittag sind wir dann wieder hinaus aufs Feld zum „hagn“, zum Heu einbringen. Wir haben uns mit dem Rechen von oben nach unten vorgearbeitet, bis wir das Heu auf den kleinen Fahrwegen, die in den Hang gebaut worden waren, ansammeln konnten. Oft waren die Berge am Hang so groß, dass wir gerade noch drüber schauen konnten. In den steilsten Passagen fing das Heu alleine zu rollen an, was ich sehr erleichternd fand.
Meist hatten wir dies fast geschafft als die Bäuerin mit einem Lächeln im Gesicht das Geräusch des „Transporters“, einem kleinen, leistungsfähigen Fahrzeug mit Ladewagen vernahm – ihr Mann, der nach einem langen Arbeitstag bei einer Pistenraupenfirma nach Hause kam und mit dem Transporter zum Heu einfahren zu uns herunter tuckerte. Alle halfen mit den Transporter zu füttern, der meist mehrmals fahren musste, um das Tagespensum einzubringen. Wenn unten kein Weg war, was bei einem Bereich leider der Fall ist, wurde das Heu mit der Heugabel bis zum Weg nach oben getragen – gottseidank überwiegend Männersache. Einmal drohte ein Gewitter die Tagesfuhre zu verregnen und plötzlich waren wie von Zauberhand 5 weitere Menschen da, die mithalfen: der Nachbar und sein Sohn, und seine Freundin und der ältere Sohn des Hofes, der gerade Papa geworden war. Zu Acht haben wir es gerade noch geschafft, das Heu trocken einzubringen, als schon die ersten Regentropfen fielen.
Inzwischen war auch der zweite Sohn nach Hause gekommen und kam mit dem Balkenmäher den Weg herunter. Der Balkenmäher ist nicht so ein zierliches Gefährt wie bei uns in Bayern, sondern hat 80cm breite Aluräder mit 10cm langen Stollen. Beim Kauf dieses Geräts werden vom Hersteller die Steigeisen für den Menschen gleich mitgeliefert, ohne die man gewisse Passagen nicht mähen könnte. Es ist schon hoch anzurechnen, dass ein junger Mann, der gewiss viele andere Interessen hätte, nach einem vollen Arbeitstag noch 2 Stunden in den steilen Leiten herumstapft , um das Pensum für den nächsten Tag zu erarbeiten. Einmal hat er den Balkenmäher stehen gelassen und ist den Hang heruntergerannt: er war in ein Wespennest geraten….
Wir haben in der Zeit das Abendessen zubereitet, Kuhgras gemäht und eingefahren und die zwei Kälber gefüttert während die Bäuerin ihre 4 Kühe gemolken hat. Vor 8 Uhr abends war an Abendessen meist nicht zu denken, aber danach saßen wir oft noch vorm Haus und haben uns ein halbes Bier schmecken lassen, mit Blick auf den einmalig schönen Abendhimmel vor der schroffen Bergkulisse mit Zuckerhütl, Wilder Freiger und Agglspitze.
Natürlich haben wir auch andere Arbeiten erledigt, wie Holz aufrichten, handwerkliche Arbeiten und hauswirtschaftliche Arbeiten. Es fällt ja so vieles an auf einem Bauernhof.
Das schönste jedoch ist, dass unsere Arbeit so geschätzt wurde. So haben wir nach der Zeit auf dem Hof noch eine Woche Urlaub in den Dolomiten gemacht und als wir auf dem Rückweg nochmals kurz in Mareit vorbeigekommen sind, haben wir kurz vorher telefonisch angefragt, ob wir etwas aus Sterzing besorgen sollen. Die neue Helferin am Hof hat berichtet, dass die Bäuerin sofort nach dem Telefonat alles stehen und liegen gelassen hat und in die Küche geeilt ist, um für den Bernhard Apfelküchl zuzubereiten, weil er die „schmalzbachanen Sachen“ so gern hat.
Ich denke, dass heutzutage ohne die vielen freiwilligen Helfer viele Höfe in Südtirol nicht mehr zu bewirtschaften sind, da die Erhaltung des Hofes nur nebenberuflich möglich ist, und somit die Arbeitskräfte für die mühsame Arbeit auf dem Hof nicht ausreichen würden. Dieses Jahr hatten 340 Bergbauernhöfe bei der Bergbauernhilfe um Helfer angefragt und Gott-sei-Dank finden sich jährlich etwa 1500 Idealisten, die ihre Freizeit in den Dienst der südtiroler Bergbauern stellen.