28 Aug Dolomiten – August 2020
Heu rollen, anstatt am Strand zu liegen
Landwirtschaft: Wertvolle Hilfe durch Freiwillige wie Solveig und Jeannine
Ahrntal/ Pustertal (mt) Corona hat auch dem Verein Freiwillige Arbeitseinsätze im Südtiroler Bauernbund große Sorgen bereitet. Viele Einsätze mussten abgesagt oder umdisponiert werden. Sobald aber Einsätze wieder möglich waren, waren auch schon Helfer auf den Höfen. Nicht alle Anfragen konnten berücksichtigt werden. Einer bei dem es geklappt hat, ist Sebastian „Wastl“ Stifter vom Inner-Oberarzbachhof am Südhang zwischen Luttach und St Johann.
Stifter bewirtschaftet seinen 1200 Meter hoch gelegenen Hof alleine. Im Stall stehen 8 Kühe und 2 Kälber, während das Jungvieh auf einer Alm weiden darf. Die Wiesen, auf denen das Futter für die Tiere wächst, sind allesamt steil. Vor 20 Jahren gehörte Stifter zu den Pionieren der freiwilligen Arbeitseinsätze auf Bergbauernhöfen im Ahrntal. Wie viele Helfer, von der ganzen Familie bis zur Einzelperson, er seither bei sich am Hof zu Gast hatte, weiß er nicht mehr. Aber es gibt mehrere, sie seit Jahren gerne kommen.
„Ganz am Anfang, als noch nie ein Fremder im Haus war, hab ich schon Bauchweh gehabt“ erinnert sich Wastl.
Premiere am Hof
Vergangene Woche gab es eine Premiere am Hof. 2 Freundinnen aus Deutschland kamen, um mitanzupacken; mit jeweils 27 und 29 Jahren, die bisher jüngsten erwachsenen Helferinnen. Vor ihnen war ein Paar aus Thüringen am Hof, zum 10. Mal; in wenigen Tagen kommt ein einzelner Mann aus Schottland „und zu Weihnachten hat sich auch schon jemand gemeldet“, zählt Wastl auf. Auch eine Familie war schon am Hof, deren Kinder während des einmonatigen Aufenthalts in Luttach die Grundschule besucht haben. Nur für immer sei noch niemand geblieben, meint der Wastl mit dem ihm eigenen Schmunzeln. Wastl ist ein grundsätzlich optimistischer Mensch. Bisher, so sagt er, sei nur einmal eine Helferin wieder abgereist. Als ihr gleich am ersten Tag im Zimmer eine Spinne begegnete, kam für sie ein Bleiben am Hof nicht mehr in Frage. So hatte er auch keine Bedenken, als ihm Monika Thaler, die Koordinatorin des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze die beiden jungen Frauen ankündigte – und er wurde nicht enttäuscht. Nach mehreren Tagen, an denen Jeannine und Solveig aus dem Großraum Karlsruhe und Rastatt, am Hof arbeiten, ist er voll des Lobes über seine Gäste. Sie packen am Feld an, misten ohne weitere Bedenken den Stall aus und helfen im Haushalt. „Die kochen gut“, sagt Wastl begeistert.
Keine Berührungsängste
An Speckknödel hätten sie sich noch nicht herangewagt und der Ahrntaler Graukäse sei etwas gewöhnungsbedürftig, sagt Jeannine. Ansonsten würden sie auch vor typisch Südtiroler Gerichten nicht zurückschrecken, erzählen die beiden Frauen „und der Wastl ist pflegeleicht, dem schmeckt alles, am besten, wenn etwas Speck dabei ist“.
Die beiden Helferinnen sind mit der Situation am Hof durchaus zufrieden. Warmes Wasser, Dusche, Frühstück und ein sehr zufriedener Bauer: Mehr hätten sie sich nicht erwartet. Draußen vom Tauferer Talboden her ziehen dunkle Wolken auf. Es wäre gut, wenn das Heu trocken in die Scheune käme. Deshalb steht gerade Heuarbeit auf dem Programm. Jeannine und Solveig rechen bzw. „rollen“ gemeinsam mit Sigi, einem Bekannten von Wastl, das Heu vom steilen Hang auf einen abenteuerlich schmalen Feldweg zu einem Haufen über den der Wastl dann mit seinem „Muli“-Transporter fährt und das Heu auflädt. Und während Jeannine mit Sigi das Grobe zusammenrecht sucht Solveig beim Nachrechen jeden noch sichtbaren Rest. „Es darf kein Halm zurückbleiben hat uns Sigi beigebracht“, sagt sie. Die beiden jungen Frauen sind beide Lehrerinnen im Brotberuf. Wie sie erzählen, hätten sie sich, nachdem sie das Programm im Internet auf der Seite des Südtiroler Bauernbunds gelesen hatten, bewusst für diese Art von gemeinsamen Urlaub entschieden.
Durchstrukturierter Tag
Es sei eine persönlich wertvolle Erfahrung, die auch im Schulalltag eingebaut werden könne. Und sie haben ihre Entscheidung nicht bereut: Beide waren noch nie in Südtirol und sind am Ende ihres Aufenthalts in Oberluttach von Land und Leuten begeistert. „Es ist ein gutes Gefühl am Abend, etwas getan zu haben, das man spürt und sieht“, finden die beiden Helferinnen.
„Ich möchte es noch einmal machen und wenn, wieder beim Wastl. Er hat so viel Humor“, findet Solveig.
Das dürfte wohl das schönste Kompliment für den Bauern sein. Der Tag am Hof ist für beide Frauen ziemlich durchstrukturiert; mit Feldarbeit je nach Wetter, den wichtigsten Hilfen im Haushalt und der Arbeit im Stall. Es gibt auch Zeiten, wo nicht sehr viel zu tun ist. Diese Zeit hat Wastl genutzt seinen Gästen eine Alm auf der anderen Talseite und eine noch ein Stück weiter oberhalb des Hofs zu zeigen, was ihnen sehr gut gefallen hat, erzählen die beiden Frauen. Nach 10 Tagen im Ahrntal stehen dann für beide Freundinnen noch ein paar Tage Urlaub in Italien am Wasser auf dem Programm – und die Vorfreude auf vielleicht einen nächsten Südtirol-Abstecher nach Luttach zum Wastl.
Hintergrund
Seit 20 Jahren kommen freiwillige Arbeitshelfer zu Sebastian Stifter auf seinen Hof. Bis Mitte August konnte der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze 1055 Freiwillige in ganz Südtirol vermitteln, die 9917 Einsatztage auf den verschiedenen Höfen geleistet haben. Im Jahr 2019 kamen die freiwilligen Helfer auf insgesamt 18.552 Einsatztage.
Freiwillige Erntehelfer
Im heurigen Jahr haben 275 Bauern einen Antrag um Unterstützung erstellt; 58 aus dem Pustertal. Am meisten Gesuche kommen aus dem Vinschgau (105), gefolgt vom Burggrafenamt (70), dem Eisacktal/Wipptal (22), den Seitentälern bei Bozen (18) und dem Unterland (2). Bis September sieht die Lage derzeit auch recht gut aus. Für die Wintermonate, wo es alljährlich auf den Höfen ein paar Helfer braucht, ist die Anmeldung zur Mithilfe derzeit noch sehr verhalten.