All Mountain – Sommer 2017

All Mountain – Sommer 2017

Stille Helden

Monika – Bergbauernhilfe

Text: Christian Thiele

Hobt’s neie Lamperln? Mei wia liab! Und wia geht’s dem X und der Y? Hobt’s scho kheat vom Z?“ Wenn Monika Thaler, bürofein mit Glitzer-T-Shirt und damenhaften Lederschühchen, auf dem Montferthof kommt, im oberen Schnalstal, auf 1500 Meter über Seehöhe, dann ist das ein bisschen wie ein warmer Sommerregen. Ein Regen aus guter Laune, Anteilnahme und ganz handfester Hilfe.

Und Thaler weiß, dass ein abgelegener Hof wie der von Edi und Edith ein bisschen Anteilnahme, ein bisschen Interesse, ein bisschen gute Laune und auch ein bisschen Tratsch und Klatsch ganz gut brauchen kann. Denn sie kommt ja selbst von so einem Hof. Und deshalb ist es wohl kein Zufall, dass Monika Thaler seit fünf Jahren für die Südtiroler Bergbauernhilfe die Freiwilligeneinsätze auf den Almen, auf den Feldern, in den Ställen und in den Stuben koordiniert.

Der Hof so abgelegen, dass die Milch mit einer Seilbahn zur Straße gedrahtelt werden muss. Die Hänge so steil, dass das Heu mit der Sense zu mähen ist. Die Schule so weit weg, dass die Kinder sich bald entscheiden müssen: Die Zukunft im Tal suchen – oder das Erbe der Väter am Berg verteidigen? Allein in Südtirol gibt es Hunderte von Höfen, auf denen sich diese Fragen stellen. Wenn dann noch die Oma krank wird, ausgerechnet während der Heumahd, und zu pflegen ist; oder wenn die Kinder vom Hof ziehen; oder wenn sich der Bauer im Holz den Rücken verrissen hat und aussetzen muss, dann steht manchmal die Existenz einer Hunderte von Jahren alten Bergwirtschaft auf dem Spiel. Und dann muss Monika Thaler ran.

Die Südtiroler Bergbauernhilfe hat allein im vergangenen Jahr über 21.000 Einsatztage von Freiwilligen vermittelt. Fast 350 Bauern hatten Anträge auf Helfer gestellt. Im Vinschgau, im Pustertal, aber auch in der Umgebung von Bozen. Und über 2300 Helfer haben geholfen, beim Heuen, beim Kochen, bei der Kinder- und Altenpflege, bei der Ernte. Sie kommen aus Deutschland, aus dem Südtiroler Unterland, aus Österreich, es sind Rentner und Studenten und Manager – aber manchmal auch Bauern, die ihren Kollegen droben am Berg einfach helfen wollen.

„Rein wirtschaftlich gedacht, müssten viele Höfe in Südtirol zusperren. Aber wir hängen eben am Erbe unserer Väter“, sagt Monika Thaler. „Einfach so ins Tal ziehen, in eine gemütliche warme Wohnung – das geht für viele von uns einfach nicht, das bricht uns das Herz.“ Sie kommt selbst von einem Hof, von einem Hochplateau südöstlich von Bozen, 1300 Meter hoch, „da konnte man alles maschinell bearbeiten. Aber meine Eltern haben mitten in der Wirtschaftskrise einen Kredit aufgenommen, plötzlich hat das Sackerl Zement von einer Nacht auf die andere das Zehnfache gekostet – da gab es viele Entbehrungen!“ Kochen, putzen, den Gästen das Essen auf den Tisch stellen und wegräumen, das war schon als Kind ihr Alltag. „Und wenn eine Nacht kein Gast da war, war das wie Urlaub für mich. Ein hartes Leben. Aber ich bin sehr dankbar für diese Kindheit, ich mag mit keinem anderen Menschen auf der Welt tauschen.“

Drei Schwestern waren sie daheim, sie die kleinste. Aber die Eltern haben sie genau die gleichen Dinge tun lassen, als wären sie Buben: Die älteste – das erste Mädchen in der Musikkapelle. Die mittlere – die erste Frau mit Jagdschein im Tal. Monika – da jüngste Mitlgied im Gemeinderat. Die älteste bekam den Hof, Monika machte eine Banklehre. Dann ging sie zum Tourismusverein. Aber das war ihr auch zu statisch. Dann wurde die Stelle bei der Bergbauernhilfe frei – aber wäre das wirklich was für sie, für eine Frau? „Je mehr mir die Leute von diesem Job abgeraten haben, desto mehr Interesse hatte ich daran“, sagt sie.

Sie kennt schließlich das harte Leben in der Höhe. Weiß, was Krankheit, was Geldnot bedeuten kann, kennt so manches zerrüttete Familienschicksal hinter der idyllischen Fassade eines so manchen Hofes.

Natürlich ist ihr die bergbäuerliche Identität wichtig. Der Bergbauer als Träger der alpinen Kultur. Als Landschaftspfleger, als Tourismusfaktor. „Aber eigentlich kommt bei mir nur der Mensch, nicht di Kultur oder sonst was. Deshalb mach ich das, und deshalb mache ich das praktisch jeden Tag gern.“ Sie hat auf dem Montferthof nach dem Rechten gesehen, die Kinder und die Katzen gestreichelt, es ist spät geworden – Zeit für den Feierabend. So steigt sie wieder in ihren silbernen Fiat und fährt zurück, in ihre Wohnung im Tal. Fernab vom Hof – und doch ein bisschen verbunden damit. Denn sie hat ein bisschen Wald, vom Vater geerbt. „Es macht mir eine Wahnsinnsfreude, wenn ich mit dem Holz meinen Ofen einheizen kann – auch wenn es immer wieder Investitionen braucht und Arbeit macht.“