06 Aug Dolomiten – August 2020
Bergbauernhilfe boomt
Solidarität: Nach ungewisser Situation während des Lockdowns ist die Bereitschaft zu Freiwilligeneinsätzen auf Höfen hochgeschnellt – Fast 100 Südtiroler mehr
Bozen (az). Damit haben selbst die Koordinatoren vom Verein für Freiwillige Arbeitseinsätze (VFA) nicht gerechnet: Nach der völlig ungewissen Lage im Mai sind die Anmeldungen im Juni geradezu explodiert, sodass sich Südtirols Bergbauern über einen beträchtlichen Zuwachs von freiwilligen Helfern freuen konnten.
Die vorläufige Bilanz mit Stichtag 15. Juli fördert erstaunliche Zahlen zutage: Ein Plus von 102 Freiwilligen, wobei dieser Zuwachs vor allem auf die einheimischen Helfer zurückzuführen ist. „Als Anfang Juni die Bestimmungen bezüglich Corona klar waren, ist die Nachfrage vonseiten der Freiwilligen rasant angestiegen“, sagt Manuel Kröss vom Verein für Freiwillige Arbeitseinsätze in Südtirol. Corona-bedingt mussten die für März, April und Mai geplanten Einsätze abgesagt werden, die über lange Zeit unsichere Lage hinsichtlich des grenzüberschreitenden Austauschs tat ihr Übriges. Schließlich kommt mit einem Anteil von beinahe 70 Prozent der überwiegende Großteil der Freiwilligen aus Deutschland. Allerdings lässt heuer das gestiegene Interesse unter den Einheimischen aufhorchen. Was treibt sie an, woher kommt dieser ungeahnte Zuspruch?
Früh im Stall, früh ins Bett
Einer von ihnen ist der Eppaner Stephan Schwarz, der heuer erstmals auf dem 1500 Meter hoch gelegenen Waldhof im Schnalstal mit anpackte. „Die Bauern buggeln wie die Stiere und pflegen mit viel Idealismus die Landschaft“, hat er während seiner 8 Tage Freiwilligeneinsatz beobachtet. Folgerichtig betrachte er eine Mithilfe als Zeichen des Respekts und der Wertschätzung. Bereits um halb 7 Uhr morgens hieß es für ihn, den Stall von 15 Kühen auszumisten, ehe auf den großteils steilen Hängen die Mahd bzw. die Heuernte wartete. „Am Abend gab es ein Feierabendbier, danach fiel ich förmlich ins Bett“, schildert der langjährige Personalchef des Unternehmens Torggler seinen Einsatz. Als wichtig erachtet er die professionelle Vermittlung durch den Verein und das Bewusstsein für beide Parteien, dass man versichert ist. Für Schwarz war es eine lohnenswerte und lehrreiche Erfahrung, er steht noch immer mit den Bauern in Kontakt und möchte diese besondere menschliche Beziehung auch weiterhin pflegen.
Heidi und die Ziegenherde
Ähnliches weiß die 22-jährige Sarnerin Heidi Messner von ihrem Arbeitseinsatz am Baschtelehof im Ultental zu berichten. „Selbst als Sarnerin hat mich überrascht, wie viel Arbeit auf so einem Bergbauernhof anfällt“, blickt sie zurück. Die insgesamt 70 Ziegen im Auge behalten, in der Käserei mit anpacken, Kräuter und Blütenblätter sammeln, bei der Heuernte mitwirken und der Bäuerin im Haushalt helfen – die Tätigkeiten am Hof empfand sie als abwechslungsreich und spannend. Abgerundet wurde der Tag mit einem „Watterle“. „Es waren sehr offenen und nette Bauersleute, mit ihnen habe ich mich gerne über Gott und die Welt ausgetauscht“, sagt die junge Sarnerin, die wohl vielen auch als Influencerin „Heidi from the mountains“ mit über 60.000 Followern bekannt ist. Nach einigen Tagen hat sie auf Instagram Fotos von ihrem außergewöhnlichen Einsatz gepostet und so vor allem Jugendlichen das Thema nähergebracht. Das sei sehr gut angekommen, meint die aufgeweckte 22-Jährige, die gerade ihr Studium abschließt. Aber sie ist keineswegs eine Ausnahme, denn immer mehr Jugendliche melden sich zu einem Arbeitseinsatz an.
Heugabel statt Arztkittel
Bereits zum dritten Mal hat Hubert Messner, ehemaliger Primar der Neonatologie und Neugeborenenstation und erfolgreicher Buchautor, auf einem Bergbauernhof am Schlanderser Sonnenberg mitgeholfen. „Heuer war die Hilfe bitter nötig, weil es zunächst mehrere Tage hintereinander geregnet hatte und deshalb alles viel schneller als sonst über die Bühne gehen musste“, sagt er. Aber die Heuernte war gut, und das gegenseitige Vertrauen wurde noch ein bisschen mehr gestärkt. „Mittlerweile kennen und schätzen wir uns, und ich werde auch Ende August beim Grummet mithelfen“, sagt Messner, der mittlerweile selbst Mitglied im Verein für Freiwillige Arbeitseinsätze ist, der rund 320 Bergbauernhöfe betreut. Für Messner ist diese Art der Solidarität zur Selbstverständlichkeit geworden. Alle 3 Helfer verbindet neben dem besonderen Naturerlebnis das Gefühl, einen wertvollen Beitrag geleistet zu haben. Man erkenne erst, was die Bergbauern tagtäglich leisten, wenn man mal selber überall mit anpackt. Das öffnet die Augen, den eigenen Horizont und beschere nicht zuletzt ein Glücksgefühl. Man ist m buchstäblichen Sinne um eine besondere Erfahrung reicher.
„Die Arbeit bei den Bergbauern macht mir Spaß, und die Hilfe war auch bitter nötig. Beim Grummet werde ich wieder helfen.“ Hubert Messner
102 freiwillige Helfer mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres haben heuer bis zum 15. Juli einen freiwilligen Arbeitseinsatz auf Bauernhöfen geleistet. Allein aus Südtirol konnte auf 89 Helfer mehr als im Vorjahreszeitraum gezählt werden.