04 Okt Dolomiten – Oktober 2022
„Eure Unterstützung ist wesentlich“
Erntedank: Verein Freiwillige Arbeitseinsätze würdigt Einsatz der Helfer auf Berghöfen – 2022 war kein Rekordjahr und kein leichtes Jahr
Sarnthein (br). „Wir freuen uns über die Ernte und über die Menschen, die mithelfen“, sagte Ortspfarrer Pater Basilius Schlögl beim Erntedankfest, zu dem der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze (VFA) am Samstag ins Sarner Bürgerhaus geladen hatte – als Zeichen des Dankes an die vielen Freiwilligen, die heuer 17.702 Tage auf Südtirols Berghöfen mit anpackten. „Wir brauchen alle: die vielen Helfer, die alle Jahre kommen und unseren Bergbauern unter die Arme greifen, und wir brauchen die vielen Förderer, die hinter dem Verein stehen. Ihnen allen wollen wir danken“, sagte Obmann Georg Mayr. Er blickte zurück auf das Einsatzjahr, das kein Rekordjahr und kein leichtes Jahr war – auch wenn die coronabedingte Durststrecke auslief. Aber es kamen neue Schwierigkeiten: Aufgrund des Ukainekrieges meldeten sich mehrere Helfer ab und engagierten sich in der Flüchtlingshilfe. Auch war es ein arbeitsintensiver Sommer mit langen Trockenperioden. „Ihr habt und wir haben gemeinsam mit euch viel geleistet, viel bewegt und viel erlebt“, sagte Monika Thaler, die Koordinatorin des Vereins. Sie blendet zurück auf das abgelaufene Jahr, in dem es auch eine Notsituation gab. Gelöst hat sie eine Familie aus Deutschland, die kurz entschlossen mit ihrem Wohnwagen nicht – wie geplant – nach Schweden in den Urlaub fuhr, sondern über 1000 Kilometer Richtung Südtirol und auf dem Bergbauernhof einsprang. Erfreulich war eine Liebesgeschichte, die für einen freiwilligen Helfer während seines Einsatzes in Südtirol begann und mit der Hochzeit endete. „Eure Unterstützung ist wesentlich; viele Bergbauernfamilien sind darauf angewiesen“, sagte Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Die aktuelle Krise trifft auch die Berglandwirtschaft hart. „Ihr seid Teil der Lösung“, sagte Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler. Für die anderen Trägerorganisationen des VFA dankten Beatrix Mairhofer (Caritas), Tanja Rainer (Jugendring) und Hans Widmann (Lebenshilfe). „Wenn ihr den Bergbauern helft, die Existenz zu erhalten, helft ihr Südtirol“, sagte er.
Mehr als helfende Hände
Berghof: Freiwillige unterstützen Schnalser Familie: Sarnthein (br). Ein arbeitsintensiver Bergbauernhof, ein alter Erbhof, der saniert werden muss, 4 kleine Kinder: Da war und ist die Familien dankbar für jede helfende Hand. „Jeder Handgriff ist geschenkt Zeit, in der wir uns anderen Dingen widmen können“, sagte Irmgard Gamper beim Erntedankfest des Vereins Freiwillige Arbeitseinsätze in Sarnthein. Seit 2017 kommen Helfer auf den Hof im Schnalstal und unterstützen die Familie. Der heurige Sommer war dennoch schwer: Mitten in der Heuernte erkrankten alle an Covid. Trotzdem wartete unaufschiebbare Arbeit; die freiwilligen Helfer konnten nicht kommen. „In dieser Zeit wurde uns noch mehr bewusst, wie wertvoll helfende Hände sind“, sagte Gamper. Aber es gebe da noch mehr. Seit 5 Jahren werde die Familie bereichert – mit einem offenen Ohr, mit einer stärkenden Umarmung und auch mit einem herzhaften Lachen.
Bergsüchtig und hilfsbereit
Arbeitseinsätze: Sohn steckte die Eltern an: Sarnthein (br). „Bergsüchtig“: So stand auf den Leibchen von Vater und Sohn zu lesen. Sohn Andreas hatte 2017 alles ins Rollen gebracht, als er sich für einen freiwilligen Arbeitseinsatz auf einem Bergbauernhof im Passeiertal anmeldete. „Er war noch jung und hatte keinen Führerschein“, erzählte Rudolf Kleiner aus Baden–Württemberg. So setzte er sich ins Auto und fuhr mit Frau Marianne und Sohn Andreas nach Südtirol. Andreas Kleiner blieb 3 Wochen lang auf dem Bergbauernhof. Er half überall mit und steckte auch gleich seine Eltern an, die bei der Heuernte gleich mit anpackten. „Seither kommen wir jedes Jahr hier her – mehrere Male. Es macht Spaß und wir sehen auch, dass wir gebraucht werden“, sagte Vater Rudolf. Auch für Sohn Andreas sind die freiwilligen Einsätze jeden Sommer ein fester Programmpunkt geblieben – mittlerweile auf einem Hof in Laas.
Keine Scheu anzupacken
Hilfe: Seit 19 Jahren im Einsatz auf den Berghöfen: Sarnthein (br). Gisela Keller aus Frankfurt ist die „Dienstälteste“ unter den freiwilligen Helfern auf Südtirols Bergbauernhöfen. Ihren ersten Arbeitseinsatz leistete sie 2002. Seither kommt sie – mit Ausnahme 2021 – jedes Jahr nach Südtirol und hilft mit: im Stall, auf dem Feld und im Haus. „Die ersten Jahre war ich noch berufstätig und nahm für die Arbeitseinsätze meinen Urlaub her. Seit 15 Jahren bin ich in Pension und komme auch zweimal im Jahr“, sagte Keller. Sie bleibt meist 4 bis 6 Wochen – aufgeteilt auf zwei Höfe. Ihr gefällt das Land, ihr gefallen die Leute. „Sie sind so freundlich, und ich sehe, dass ich etwas bewirken kann“, betonte die pensionierte Sozialarbeiterin. Es braucht dafür keine Ausbildung und keine Scheu anzupacken. Die Arbeit mache glücklich, und die Bauersleute seien überaus dankbar für die Unterstützung.
„Die Dankeskultur kommt heute oft ein bisschen zu kurz, aber sie ist wichtig und Motivation für die Helfer weiterzumachen.“ Georg Mayr, Verein Freiwillige Arbeitseinsätze
Zum 26. Mal lud der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze zum Erntedankfest, das stets Höhepunkt im Vereinsjahr ist. Viele Hundert Kilometer legen die Helfer dafür zurück. Eröffnet wurde das Fest mit einem Wortgottesdienst, musikalisch mitgestaltet von Rosa Oberhöller und ihrem Reinswalder Frauenchor.
2022 in Zahlen: Zum ersten Mal mehr Frauen unter Helfern
Sarnthein (br). Beim Erntedankfest zog der Verein Freiwillige Arbeitseinsätze Bilanz – in Zahlen:
- 1200 Freiwillige wurden heuer auf Bergbauernhöfe vermittelt.
- Sie leisteten 17.702 Einsatztage.
- 72,2 Prozent kamen aus Deutschland, 18,6 Prozent aus Südtirol, 5,2 Prozent aus dem restlichen Italien, 2,8 Prozent aus Österreich.
- Mit 32,6 Prozent kamen am meisten Südtiroler Helfer aus dem Großraum Bozen.
- 53,9 Prozent der Freiwilligen sind Frauen, 46,1 Prozent Männer. Damit liegen erstmals die Helferinnen vorne.
- Die stärkste Gruppe mit 23,4 Prozent sind die Jahrgänge 1960 bis 1969 gefolgt von 1990 bis 1999 mit 21,7 Prozent. Mit den Jahrgängen bis 2000 stellt diese letzte Gruppe ein Drittel aller Helfer.
- Die Helfer standen auf 265 Höfen im Einsatz.
Mit 39,2 Prozent kamen die meisten Ansuchen von Bauern aus dem Vinschgau.