Erlebnisbericht aus dem Pustertal im Juni 2018

Erlebnisbericht aus dem Pustertal im Juni 2018

Freiwilligeneinsatz auf einem Bergbauernhof in Südtirol vom 03. bis 17. Juni 2018

In diesem Jahr planten meine Freundin und ich einen Freiwilligeneinsatz über die Südtiroler Bauernhilfe. Der Gedanke, bedürftigen Bergbauern unter die Arme zu greifen bei freier Kost und Logis gefiel uns. Sechs Wochen vor unserem geplanten Zeitraum erhielten wir einige Steckbriefe von Bergbauern, die in unserem gewählten Zeitraum die Hilfe von zwei Frauen benötigen würden und durften eine Prioritätenliste erstellen. Bauernhöfe mit Alt- und Jungbauern hätten uns gefallen, nicht ganz uneigennützig, hatten wir doch auf die gute Südtiroler Küche durch die Altbäuerin gehofft. Wir waren bei der Entscheidungsfindung wohl nicht schnell genug, unsere ersten 3 Vorzugsbauernhöfe waren bereits vergeben.

Der nächste in der Liste war ein Bauer, der seinen Hof allein bewirtschaftete. Nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten. Was wäre, wenn die Chemie mit diesem einen Bauern nicht passt? Aber nach einem Telefonat mit „unserem Bauern“ waren alle Bedenken verflogen. Er kam am Telefon so nett herüber und die Vorfreude stieg ständig, je näher der Abreisetag kam.
Der Bruder des Bauern, von dem wir wussten, dass er unserem Bauern am Wochenende regelmäßig hilft – und wie wir später erfuhren sollten, auch unser Versorgungslieferant sein würde – holte uns am Busbahnhof ab. Nette Begrüßung und dann ging es die schmalen Straßen und Serpentinen hinauf auf den Berg.
Unser Bauer begrüßte uns freundlich, zeigte uns unser Zimmer, das gesamte Anwesen, die Vorratskammern, die gut gefüllte Tiefkühltruhe und erklärte, was er von uns an Unterstützung erhoffte.

Zunächst einmal: Alle unsere Bedenken waren umsonst. Keine chaotische Männerwirtschaft, wie wir sie vorzufinden glaubten, nachdem wir in diesem Jahr die ersten Helfer waren, sondern ein zwar sehr alter, einfacher, aber gepflegter Bauernhof. Und besonders erfreulich: 14 Tage vorher war die neue Küche fertig geworden.

Mit den Vorstellungen des Bauern bezüglich unserer Unterstützung konnten wir uns gut arrangieren. Die üblichen Hausfrauenarbeiten in und am Haus, Essensvorbereitung und Heuernte. Für die Stallarbeit brauchte er uns nicht. Also ein richtiges Landfrauenleben.

In der ersten Nacht bekamen wir nur wenig Schlaf, zwei Regulatoren im Haus raubten uns halb- und stündlich den Schlaf, die eigentlich lieblich klingenden Glocken der draußen weidenden Schafe taten ihr Übriges. Aber alles eine Frage der Gewöhnung. In den nächsten Tagen waren wir der Geräuschkulisse gegenüber schon wesentlich resistenter. Auch trug wohl die körperliche Arbeit zu einem tiefen Schlaf bei.

Wunderschön war es, morgens – wenn der Wecker uns zur Arbeit rief – aufzustehen, auf den Balkon zu treten und die Traumkulisse vor Augen zu haben. Am letzten Tag noch ein kleines Abschiedshighlight, zwei Rehe ästen friedlich auf der Wiese am Haus. Natur pur!

Vormittags suchten wir uns eigenständig Arbeit im Haus oder im Garten und bereiteten das Mittagessen. Kreativität war gefragt. Vorräte waren reichlich vorhanden, aber irgendetwas fehlte immer. Pünktlich kam der Bauer dann zu Tisch. Die Mittagspause wurde auch in Ruhe ausgekostet, danach aber ging es gleich hinauf auf die steilen Hänge zur Heuernte. Jede Stunde Gutwetter zählte.

Nach diesem Helfereinsatz sehen wir jeden Wiesenhang in der Berglandschaft mit ganz anderen Augen! Die Hänge sind verdammt steil! Man muss schon fit sein! Dennoch machte die Heuarbeit Spaß, auch wenn die Arbeit körperlich anstrengend war. Das Heu wird von oben nach unten mit dem Heurechen geharkt. Da wir ein Silo befüllten, war es mehr Gras als Heu und demensprechend schwer wurde am Fuße des Hangs der Heuberg. Wenn wir kräftemäßig an unsere Grenzen kamen, war unser Bauer jedoch schnell unterstützend zur Stelle. Obwohl wir wirklich alles gaben, war es doch erstaunlich, wieviel schneller wir vorankamen, wenn am Wochenende der Bruder des Bauern bei der Heuernte mit anfasste.

Ein stolzes Gefühl war es immer, wenn wir den beladenen Traktor wieder von Hand entladen und das Silo wieder ein weiteres Stück befüllten hatten. Jeden Tag wurde es ein bisschen mehr (das Silo hat 32 qm Fassungsvermögen), das Heu musste festgetreten werden und sackte dann über Nacht wieder tiefer. Leise Panik beschlich uns, als der Bauer das Heu mit Hohlblocksteinen beschweren musste, die wir ihm zureichen sollten. Sind ja doch ganz schön schwer. Es gab ja nur uns als Helfer und die Steine waren ca. 1,5 m hoch zu heben. Aber auch das ging besser als gedacht. Wir hoben die Steine zu zweit an, der Bauer griff im Silo hockend zu und schon „schwebten“ die Steine fast von alleine weiter. Geht doch nichts über durch schwere Arbeit gestählte Muskeln. Getreu dem Vorbild unseres sehr ordentlichen Bauern wurde der Heustadel nach getaner Arbeit genauso sauber verlassen wie vorgefunden.

Dankbar waren wir, dass der Bauer täglich den Badeofen für uns anheizte, so dass uns verwöhnten Städterinnen die gewohnte Dusche nicht fehlte. Vor allem nach der Arbeit im Heu.

Leider machte das Wetter dem Bauern einen Strich durch die Rechnung – immer wieder Regen und zwei Tage ging es deshalb nicht weiter – so dass wir unser persönliches Ziel, das Silo zu befüllen, dann doch nicht schaffen konnten. Wahnsinn, wie sich die Traumlandschaft in den Bergen innerhalb kurzer Zeit wetterbedingt ändert. Richtig gruselig! Das wechselhafte regnerische Wetter, das die Heuernte blockierte, ermöglichte es uns jedoch, die nähere Umgebung bei kleinen Nachmittagswanderungen ein bisschen zu erkunden.

Jedem, der gerne in der Natur ist und Freude daran hat sich auszupowern, können wir nur empfehlen, sich auf einen solchen Einsatz einzulassen. Es gibt viele Bauern, die unbedingt Hilfe benötigen, weil sie ihren Hof aus eigener Kraft nicht aufrechterhalten können. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, gebraucht zu werden! Auch wenn die Arbeit schwer ist, die frische Luft und der Ausblick auf die Berge entschädigt immer wieder aufs Neue. Erspart jedes teure Fitness-Studio. Man erlebt eine ganz andere Welt. Arbeit von morgens bis abends, ohne Unterlass. Dennoch keine Hektik, ein regelmäßiger Tagesablauf in friedlicher Ruhe. Super, um Runterzukommen vom stressigen Alltagsstress.

Der Fleiß unseres Bauern war enorm und rang uns Bewunderung ab! Auf einem Hof reißt die Arbeit niemals ab und schon gar nicht, wenn der Hof überwiegend allein bewirtschaftet wird.
Sicher sind die Anforderungen auf den Höfen, die Hilfe benötigen, sehr unterschiedlich. Stallarbeit war auf unserem Hof nicht erforderlich. So blieb uns nur der gelegentliche Blick in den Stall, das Hoffen auf die anstehende Geburt eines Kälbchens, dass sich jedoch Zeit ließ und erst drei Tage nach unserer Abreise nachts zur Welt kam.

Für uns hat unterm Strich alles gepasst. Der Abschied war dann richtig traurig. Wir werden den Helfereinsatz bestimmt wiederholen! Und weil wir bei unserem Bauern so gute Erfahrungen gemacht haben, wird er auf der Prioritätenliste künftig die Nr. 1 sein.
Dieser Erlebnisbericht soll auch ein Plädoyer für den Einsatz bei alleinlebenden Bauern sein. Die fehlende Hausfrau zu ersetzen und zusätzlich bei den anfallenden Arbeiten am Hof mitzuhelfen, empfanden wir als eine sehr gute Mischung.

Die Bäuerinnen auf Zeit