27 Aug Erlebnisbericht aus dem Vinschgau- August 2021
Mein erstes Mal auf dem Bergbauernhof oder: Wie ich zur Massenmörderin wurde
Irgendwann im Frühling hab ich mir Gedanken gemacht über meinen Sommerurlaub. Dabei kam mir die Idee (naja die hatte ich ehrlicherweise schon länger, aber immer weggeschoben) mal auf ’nem Bauernhof zu helfen. Am liebsten in den Bergen. Ich dachte mir: Mal rauskommen aus dem Alltagsstress, Ruhe genießen, abschalten. Also ’n bisschen rumgegoogelt, ein paar motivierende YouTube Videos geschaut und schließlich die Bergbauernhilfe in Südtirol gefunden. Die hat mir gefallen, also da beworben und nach nem Gespräch den Hof ausgesucht. Der Rest ging dann ziemlich schnell. Noch ein Telefonat mit den Leuten vom Hof und das Wie, Wo, Was, Wann klären. Der Zug gebucht und der Rucksack gepackt, los geht’s. Nachdem ich nach stundenlanger Bahn- und Busfahrt am Bahnhof abgeholt wurde, hab ich erstmal gleich die Verwandten kennengelernt: Kindergeburtstag. Danach noch ausgepackt und die Gegend erkundet. Ein laut rauschender Bach, ein paar Ruinen und zu beiden Seiten imposant aufsteigende Berge. Durchatmen-angekommen.
An meinem ersten Tag wurde mir mal alles gezeigt. Stall unten saubermachen, danach frisch geschnittenes Gras runterrechen, Milchtank spülen, Stall oben saubermachen. Manchmal gabs auch noch was im Garten zu tun. Dann Mittagessen, das stand schon immer frisch gekocht auf dem Tisch. Ein Gaumenschmaus, so viel hab ich schon lang nicht mehr gegessen. Danach mit neuer Kraft Heurechen auf der Wiese bis zum Abendessen. Feierabend, ab in mein schönes Zimmer mit Blick in die Berge, ein paar Seiten lesen, dann fielen mir die Augen zu. Nächster Tag, gleiches Spiel, Kuhkacke zusammenkratzen, aufschaufeln und in den Schubkarren. So ’n Kuhfladen ist ganz schön schwer, hat mich selbst erstaunt. Danach Gras rechen, dabei wurde ich einmal fast hysterisch, weil mich die ganze Zeit eine schwarze Wolke von Bremsen umschwirrte. Auf einen Schlag erwischte ich fünf oder sechs, ich hab mich gefühlt wie eine Massenmörderin, naja war ich ehrlich gesagt auch – so viele wie ich am Ende erschlagen hatte. Aber wild um sich fuchtelnd und schlagend geht das Rechen schlecht, also wieder ran an die Arbeit, bei Bewegung stechen die Biester weniger. Im Stall hab ich mich nach einiger Zeit mit einem Kälbchen angefreundet; während ich versuchte die Box auszumisten, wurde ich abgeschleckt und angenagt nach der Devise: lecker salzig. Das war schon echt süß.
Es waren übrigens kaum Kühe da, von den gut 30 verbringen die meisten den Sommer auf der Alm oder Alb wie hier gesagt wird, damit die Bauern Zeit für das Heumachen haben. Das Heumachen war anstrengend, obwohl doch erstaunlich viele Maschinen dabei zum Einsatz kommen. Was zu rechen gibts trotzdem immer. Dabei kamen meist noch Bruder, Schwester und sonstige Verwandte zum mithelfen. Fand ich krass, so viel Zusammenhalt sieht man sonst selten. Nach ein paar Tagen ist mir aufgefallen, dass der ganze Alltagsquark, der mir sonst so im Kopf umherging weg war, wie weggeschaufelt mit den Kuhfladen. Na ja ich hatte zwar fast immer ein Lied im Ohr, das irgendwo in meinem Gehirn lief (das Schlimmste war das Intro von Heidi das mich einen ganzen Tag verfolgte) aber davon abgesehen wurde mein Kopf immer freier und mein sonstiger Alltagskram war irgendwie gar nicht mehr so präsent, dringend und wichtig. Also nicht, dass ihr mich falsch versteht, ich hab auch viel nachgedacht, aber mehr über mich selbst und nicht was ich bis wann tun muss und welche Termine anstehen und so. Ansonsten hab ich mal hier und da geholfen. Im Garten beim Ernten oder beim Einzäunen der Weide. Auch eine erholsame Wanderung hab ich an meinem freien Tag unternommen.
Das Käse putzen und umdrehen hat mir besonders gefallen. Den frischen runden Käse aus diesem Jahr abschrubben und dann mit Datum nach vorne wieder ins Regal. Danach war ich weiß besprenkelt, aber egal. Generell fand ich toll, dass so viel aus eigener Herstellung kam, das Fleisch, die Wurst, der Käse, Milch, Joghurt, Brot und Gemüse. Ein absoluter Traum, sogar der Saft war selbstgemacht. Natürlich hatte ich zwischendurch mal Momente in denen ich nicht mehr wollte und mir alles wehtat, aber jetzt wo ich nur noch einen Tag da bin bevor es nach Hause geht, fehlt es mir fast schon. Das Naturnahe, die körperliche Arbeit, Eingebundensein in einer herzlichen, netten Familie, der Trubel der Kinder. Das doch so andere Leben als mein Studenten-Alltag. Das hat bei mir schon bleibende Eindrücke von einer zwar anstrengenden, aber sinnvollen Arbeit gebracht, wo man das täglich Geschaffte sieht und spürt und dann abends zufrieden ins Bett gehen kann.