18 Sep Frankenpost – September 2019
Marktredwitzerin hilft Bergbauern in Südtirol
Anne Täufer macht sich in 1600 Metern Höhe bei der Heuernte und im Haushalt nützlich. Die frühere Schulleiterin erwägt, den „Komm-wieder“-Wunsch der Familie zu erfüllen.
Herzlich aufgenommen fühlte sich Anne Täufer (rechts hinten) von allen drei Generationen der aufgeschlossenen Bergbauern-Familie. Hier funktioniere das enge Miteinander gut, freute sich die Marktredwitzerin.
Marktredwitz – Wenn Anne Täufer ihren Koffer packt, stehen normalerweise Traumreisen bevor – wie in wenigen Tagen, wenn es mit dem Partner und Freunden zum Segeln in die türkische Ägäis geht. Doch diesen Sommer packte die ehemalige Leiterin der Erich-Kästner-Schule in Marktredwitz für ein Abenteuer der besonderen Art: Die 63-Jährige fuhr eine Woche allein nach Südtirol, um als freiwillige Helferin kostenlos auf einem Bergbauernhof mitzuarbeiten – nur für Kost und Logis.
Ein Verein vermittelt
Aus einen Frankenpost-Artikel erfuhr Anne Täufer von Bergbauern, die in Südtirol Helfer suchen. In Steckbriefen können die Ehrenamtlichen angeben, was sie machen wollen, und die Bauern, was sie brauchen. Der Verein „Freiwillige Arbeitseinsätze“ kümmert sich um die Vermittlung. Anne Täufer bekam schriftlich drei Familien zur Auswahl. Ihre Hof-Bewohner lernte sie telefonisch vor dem Einsatz kennen.
Wer Anne Täufer als taffe Schulchefin kennengelernt hat und weiß, dass sie Golf spielt, E-Bike fährt und bei Modenschauen mitläuft, kann sich die zierliche Macherin schwer als Bäuerin vorstellen. „Ich verfüge über ausreichend Freizeit, bin körperlich fit und hatte Lust, mich auf etwas ganz Neues einzulassen“, erklärt die Pädagogin, die seit zwei Jahren im Ruhestand ist. Ihr Fazit nach der Woche auf dem Hof im Sarntal fällt positiv aus: Auf den Bergen bestimme ein anderer Takt das Leben – alles laufe ruhiger und gelassen ab. „Man nimmt Natur und Menschen viel intensiver wahr.“ Vor den Menschen, die die steilen Hänge bewirtschafteten, zieht Anne Täufer „alle Hüte“. „Es ist Knochenarbeit.“ Die Witterung gebe den Takt vor. Weil es morgens noch zu feucht ist, half sie in der größten Hitze nach dem Mittagessen bei der Heuernte. „Dort, wo keine Maschinen hinkommen, weil es zu abschüssig ist, arbeiten Menschen.“ Die Bäuerin zeigte ihr, wie sie sich mit einem großen Rechen auf dem abschüssigem Gelände positionieren musste, um nicht ins Rutschen zu kommen. Dann reihten sich alle Helfer untereinander auf und rechten das Heu zu einer befahrbaren Stelle zum Bauern und seinem Hänger hinunter. „Ein falscher Schritt, und ich wäre gepurzelt“, sagt die Marktredwitzerin. Aber es klappte: „Hat Spaß gemacht.“Wie hat Anne Täufer ihre Gastfamilie außerdem unterstützt? Essen kochen, Wäsche bügeln, Fenster putzen, Kinder betreuen, im Garten arbeiten, Stall säubern – die 63-Jährige übernahm auf dem Bergbauernhof, was gerade nötig war. Großeltern, Eltern und Kinder fand die Helferin „offen und herzlich“. Das enge Miteinander funktioniere, das Familienleben sei intakt. „Mittags saßen immer alle gemeinsam am Tisch.“ Danach war eine Stunde Siesta, bevor die Arbeit weiterging.Die Marktredwitzerin mochte auch ein weiteres Ritual: Arbeitseinsätze endeten stets mit einem gemeinsamen Bier auf der Hofbank. Abends fand sich ebenfalls immer jemand, der mit Anne Täufer plaudern wollten. „Der Fernseher blieb aus.“ Obwohl die Marktredwitzerin nur eine Woche blieb, erfuhr sie etliche Familiengeheimnisse. Nach ihr kam eine Frau aus Dresden auf den Hof. Diese nehme sogar regelmäßig Urlaub, um zu den Bergbauern zu kommen, und habe der Familie schon sechs Mal. geholfen. „Sie sagt, sie kommt dort wunderbar runter.“Keiner müsse sich auf dem Hof zu Tode arbeiten, das Pensum sei „machbar“, findet Anne Täufer. Die Familie gab der Helferin einen Tag frei, weil sie allein im abgeschiedenen Sarnrtal wandern gehen wollte – zum ersten Mal seit Jahrzehnten. „Eine tolle Erfahrung und eine wunderschöne Landschaft“, schwärmt die Marktredwitzerin.Genossen hat sie auch das Konzert des Musikvereins, bei dem die zwölf- und vierzehnjährigen Bergbauern-Töchter mitspielten. Der Senior-Bäuerin durfte sie bei der Zubereitung von Schlutzkrapfen, Schweizer Krapfen und Kohlstrudel helfen; mit der Junior-Bäuerin, einer Grundschullehrerin, tauschte sie sich ausgiebig über Schulthemen aus.Beschenkt mit einem Fläschchen Latschenkiefer-Öl, selbstgestrickten „Patschen“ (Hausschuhen) und einer Einladung zum Entedankfest am 5. Oktober fuhr Anne Täufer schließlich zurück nach Hause. „Komm’ wieder“ – mit diesem Wunsch hatten sich die „herzensguten“ Südtiroler von der Fichtelgebirglerin verabschiedet. „Das halte ich nicht für ausgeschlossen“, sagt die Marktredwitzerin.
Würde sie rückblickend ihre 37 Jahre Schuldienst gegen die Arbeit auf einem Hof in den Bergen eintauschen? „Ein Leben lang wäre es mir da oben zu eng“, sagt Anne Täufer. Ihr Lebensgefährte könne nicht einmal ihren Wunsch nachvollziehen, eine Woche bei den Bauern zu arbeiten. „Für ihn würde das nicht infrage kommen. Er spielt lieber Golf.“ Etliche ihrer Freunde seien hingegen äußerst interessiert an einem derartigen Abenteuer. „Auf dem Berg kommst du total runter, du wirst geerdet“, findet Anne Täufer. Deshalb sei ein solcher Hilfseinsatz auch für Menschen empfehlenswert, die im Berufsleben stünden: „Es ist eine Art Yoga für einen anderen Rhythmus.“