18 Juli Passauer Neue Presse – Juli 2024
Urlaubsglück als Bergbauern auf Zeit
Teisendorfer Ehepaar auf 1500 Metern im Sarntal im Einsatz-Arbeitstag von 5.15 bis 21.30 Uhr- „Wir möchten wiederkommen“
Von Karlheinz Kas
Teisendorf/Südtirol. Was macht ein Polizeihauptkommissar mit seiner Frau elf Tage lang auf einem Bergbauernhof in 1500 Metern Höhe im Südtiroler Sarntal? Auslandermittlungen – nein, Fortbildung – nein, Mithelfen – ja!
Martin (47) und Johanna Emig (48) aus Teisendorf (Landkreis Berchtesgadener Land) unterstützen nach besten Kräften einen Landwirt bei Haus-, Stall- und Hofarbeit, der sich im Alter von über 70 Jahren ganzjährig um 17 Milchkühe, 20 Hühner, zwei Kälber, einen Hund, eine Katze, steile Wiesenhänge und viel Wald kümmern muss. Der Lohn für die Helfer: Ganz viel Dankbarkeit, unzählige schöne Erlebnisse in einer herrlichen Landschaft und tolle Lebenserfahrungen. „Es hat Spaß gemacht bei aller körperlichen Anstrengung, wir möchten wiederkommen“, sagten die Emigs unisono nach ihrer Rückkehr ins Berchtesgadener Land.
Bergbauernhilfe gibt es seit bald 30 Jahren
Wie kommt man auf die Idee, 14 Tage Urlaub zu opfern, An- und Abreise selbst zu bezahlen und für null Lohn doch recht hart am Hof zu arbeiten? „Der bayrische Rundfunk hat uns auf die Idee gebracht, es war eine 45-minütige Dokumentation über Südtirol im November letzten Jahres“, berichtet Martin Emig. Er habe in dem Fernsehbericht viel über die „Südtiroler Bergbauernhilfe“ erfahren und sich mit seiner Frau über das Thema unterhalten, schließlich wurde auch um bayerische Helfer geworben.
Einen viertägigen Adventurlaub in Bozen nutzen die Emigs dann im Dezember, um Nägel mit Köpfen zu machen. Sie sprachen im Büro der Organisation in Bozen vor, ließen sich registrieren und schickten dann drei Monate später ihre Bewerbungsunterlagen los. Es dauerte nicht lange, da kamen die Vorschläge für sechs Höfe in Südtirol. “Wir konnten uns den Bauernhof aussuchen, jener im Sarntal sagte uns spontan zu und wir entschieden uns sofort“, erklärte Emig, der dann für Juni Urlaub einreichte, ebenso wie Ehefrau Johanna, die im Finanz-Controlling eines touristischen Betriebs in Teisendorf arbeitet. Informiert wurden natürlich auch gleich die beiden Kinder (21 und 18), die das Engagement sehr begrüßten.
Dabei muss man wissen, dass es Nachbarschaftshilfe bei den Südtiroler Bergbauern schon immer gibt. Wenn die Bäuerin ein Kind geboren hat, wenn sich der Landwirt verletzt hat oder ein Katastrophenfall eintritt, dann schickt der Verein der 2026 seinen 30. Geburtstag feiert, Verstärkung. In den letzten Jahren sind die Menschen auf den Höfen aber immer weniger geworden, Knechte und Mägde, wie noch vor Jahrzehnten, gibt es nicht mehr, und viele am Hof lebende Familienmitglieder sind weggezogen.
“Geblieben ist die Arbeit am Hof, die auf immer weniger Schultern verteilt werden konnte und Gott sei Dank gibt es immer noch viele helfende Hände, die neben ihrem Beruf bereit sind, in schwierigen Situationen zu helfen“, teilte Monika Thaler, Koordinatorin und Teamleiterin des Vereins “Freiwillige Arbeitseinsätze in Südtirol“ aus Bozen mit. Die Aufgabe des Teams sei es, die freiwilligen Arbeitseinsätze an bedürfte Bergbauern in Südtirol zu vermitteln. “Die Freiwilligen sollen durch ihre aktive, ehrenamtliche und unentgeltliche Mitarbeit einen vertieften Einblick in das bäuerliche Leben am Berg erhalten“ ergänzt sie.
Und genau diesen Einblick haben die Emigs bekommen. Sie wohnten auf dem Hof, waren dort elf Tage zu Hause und unterstützen den Bauern. Mit Ausschlafen war dort nichts, denn der Tag startete jeweils um 5:15 Uhr mit Stallarbeit. Hier war Martin Emig schon dabei, während seine Frau ab 6 Uhr in der Küche gefordert war und das Frühstück herrichtete, dass dann um 7 Uhr gemeinsam eingenommen wurde. Um 07:30 Uhr gings mit dem Auto samt Milchanhänger ins Tal. Die Milch, täglich etwa 300 Liter, musste pünktlich um 07:50 Uhr unten sein, schließlich wurde sie dort von einem großen Milch-Lasten übernommen. Manchmal wurde anschließend noch eingekauft, aber viel Zeit blieb nicht im Tal, denn die Feldarbeit wartete.
Täglich begleitete Martin Emig den Bauern auf seinen großen Wiesen, die teils sehr steil zu bearbeiten waren. Mit einem speziellen Balkenmäher für Steilhänge spulte der Landwirt seine Meter ab, während sein „Helfer“ das Gras am Randbereich zusammenrechte. Bis 13 Uhr dauerte die Arbeit meist, dann wartete Johanna Emig schon mit dem Mittagessen, das sie auf einem Holzofen bereitete. Mal gab es Nudeln, dann Schnitzel, auch Schweinsbraten wurde serviert. Und während sie das Haus instand hielt, ging´s für Bauer und Assistent gegen 14:30 Uhr wieder auf die Hänge und Felder hinaus. Schließlich musste die Ernte eingefahren werden. Deshalb unterstütze auch Johanne bei der Heuernte, wenn sie “Luft“ in der Hausarbeit hatte. Und nach 19 Uhr war nochmals Stallarbeit angesagt, erst gegen 21:30 Uhr war der Tag dann endlich beendet.
Muskelkater nach Feldarbeit
„Es war körperlich schon herausfordernd und nicht so leicht, wie sich das Mancher vorstellt“, erzählt der „Helfer“ aus dem Berchtesgadener Land, der landwirtschaftlich komplett unerfahren ist. Wie sollte er auch, ist er doch 30 Jahre bei der Polizei beschäftigt, durchlief die Autobahnpolizei in Siegsdorf, die Grenzpolizei Piding, war fünf Jahre in der Pressestelle im Präsidium in Rosenheim und ist aktuell am Fortbildungsinstitut der Bayrischen Polizei in Einring im E-Learning-bereich tätig. Das heißt, er entwickelt digitale Lernprogramme und weit Kollegen hier ein. So gestand der gebürtige Freilassinger auch: “Einen Muskelkater hab ich bei Feld- und Stallarbeit schon bekommen.“ Aber er habe auch große Dankbarkeit erfahren, einen Blick auf die einzigartige Kulturlandschaft Südtirols bekommen und hautnah miterlebt, mit welchem Herzblut die Bergbauern hier ihre Arbeit verrichten.
Auch in der Stallarbeit war Martin Emig eingesetzt und war auch einmal richtig gefordert, als die beiden Kälber per Viehtransporter vom Hof auf eine Alm gebracht wurden. Und auch beim Markt im Tal waren die Emigs eingebunden, sahen sich zusammen mit ihrem “Chef“ an den Ständen der Viehhändler, Geflügelzüchter, Lebensmitteltreibenden und Landmaschinen-Verkäufer um. Von Bozen aus wurden die Emigs auch von der Agentur kontaktiert. „Die haben sich rührend um uns gekümmert und wollten unsere Erfahrungen wissen“ sagt Johanna, die keine Minute am Bergbauernhof missen möchte.
Am Ende hatten sich beide noch einen Kurzurlaub verdient. Vom Sarntal aus ging es nach Kastelruth. „Das war dann Urlaub pur, ganz ohne Arbeit, nur wandern und relaxen“, berichteten beide unisono, aber ihren Hof-Einsatz werden sie so schnell nicht vergessen.
So funktioniert die Bergbauernhilfe
75 Prozent der Helfer in Südtirol kommen aus Deutschland – Bewerbungen immer möglich
Bozen. Die Südtiroler Bergbauernhilfe wurde im Jahr 1996 gegründet. Die Idee hatte Moritz Schwienbacher, der die Sozialabteilung des Bauernbundes leitete. Er brachte dafür vier Einrichtungen, die heute noch existent sind, unter einen Hut: Südtiroler Bauernbund, Diözesan-Caritas, Lebenshilfe und Südtiroler Jugendring. Ziel war, jenen Bergbauern zu helfen, die Hilfe benötigen. Für die Gründung wurden alle notwendigen Schritte mit den zuständigen Ämtern schnell abgeklärt.
Der Start erfolgte im ersten Jahr mit drei Pilotgemeinden, dem Ultental, dem Sarntal und dem Ahrntal. Erster Koordinator war der Ultner Markus Breitenberg. Es folgten 2002 Günter Falser, ehe 2007 Monika Thaler das Kommando übernahm. Ihre Organisationsstruktur ist heute noch existent. Sie sorgte stets dafür, dass die Chemie zwischen Freiwilligen und Bauersleuten stimmt. Insgesamt arbeiten drei Kräfte im Büro in Bozen ganzjährig.
Entscheidend ist die soziale Situation am Hof
Die Auswahl der Einsatzorte erfolgt aufgrund fairer, transparenter und gleicher Behandlung. Die Kriterien werden jeweils von der Vollversammlung verabschiedet. Entscheidend ist die soziale Situation am Hof, die Erschwernispunkte laut Landes-Höfekartei, die finanzielle Situation der Bauernfamilie, das Engagement der Familie im Nachbarschafts- und Dorfleben im sozialen Bereich und die Erfahrungen der Helfer, die am Hof bereit im Einsatz waren. Jeder Bergbau er in Südtirol kann grundsätzlich um Hilfe anfragen. Der Hof sollte oberhalb von 1000 Metern liegen und er darf ein gewisses Einkommen nicht überschreiten. Von aktuell 20 000 landwirtschaftlichen Betrieben sind ungefähr die Hälfte in der Berglandwirtschaft angesiedelt.
Helfer müssen 18 Jahre sein, berufliche und technische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Voraussetzungen sind Lust und Freude an körperlicher Arbeit, man darf keine Allergien gegen Heu oder Gräser haben, man sollte sportlich und fit sein. Jeder Helfer muss eine Krankenversicherung haben. Der Bauer stellt Kost und Logis, der Verein bezahlt die kosten für die private Unfall- und Haftpflichtversicherung der Helfer während ihres Einsatzes. Jedes Jahr melden sich zwischen 1800 und 2400 Personen, die einen freiwilligen Arbeitseinsatz leisten wollen. Im letzten Jahr waren es 1844. Wurden 1996 noch 552 Einsatztage insgesamt registriert, so stieg die Zahl bis 2014 aus über 21 000 Tage. Im letzten Jahr waren es über 17 000. 75 Prozent der Helfer kommen aus Deutschland, 13 Prozent aus Südtirol, die anderen aus Österreich, Italien und der Schweiz. Die Anzahl der Gesuchsteller belief sich im Vorjahr auf 257, die meisten waren es im Vinschgau mit 37 Prozent vor Burggrafenamt (25) und Pustertal (22).
Wer jetzt selbst Lust hat aus einen „Urlaub“ wie die Emigs bekommen hat, kann sich unter „bergbauernhilfe.it“ umfassend informieren und auch registrieren.