Saarbrücker Zeitung – August 2022

Saarbrücker Zeitung – August 2022

Bürgermeister packt auf Bergbauernhof mit an

Peter Klär aus St. Wendel tauscht Rathaus gegen Stall. Der 60-Jährige schwärmt vom Arbeitseinsatz in Südtirol.

von Evelyn Schneider

ST. WENDEL: Die letzten Sonnenstrahlen wärmen die Haut, hoch oben in 2000 Metern Höhe an einer Almhütte mit Blick auf die Berggipfel. Drei Männer aus drei Generationen sitzen zusammen und reden über Gott und die Welt. Was nach einer idyllischen Urlaubsszenerie klingt, ist vielmehr der verdiente Feierabend nach vielen Stunden schweißtreibender Arbeit. Und das unbezahlt, aus Freude und um anderen zu helfen. „Es war ein ganz besonderes Erlebnis, fast schon Sinn stiftend“, sagt Peter Klär (CDU) und lächelt. Er war einer der drei Männer vor der Almhütte. Der St. Wendeler Bürgermeister hat für eine Woche seinen Arbeitsplatz im Rathaus gegen den Alltag auf einem Bauernhof in Südtirol getauscht. Im SZ-Gespräch verrät er, wie es dazu kam. Aufgewachsen ist Peter Klär mit Gastronomie, in der St. Wendeler Gaststätte „Zum Ochsen“. Er stammt aus einer kinderreichen Familie, hat schon als kleiner Junge die Urlaube in Tirol und Südtirol verbracht. So entstand eine besondere Verbindung zu dieser Region und deren Landschaft. Damit Gäste das Idyll auch heute noch vor Ort genießen können, arbeiten viele Menschen hart dafür, das Vertraute zu erhalten. Das gilt auch für die Landwirtschaft. „Da müsste man doch eigentlich helfen, dachte ich mir“, so Klär. Dieser Gedanke ließ den 60-Jährigen nicht mehr los. Im Internet stieß er schließlich auf die Bergbauernhilfe Südtirol. Dieser Verein vermittelt freiwillige Arbeitseinsätze. Sofort war das Interesse des Verwaltungschefs geweckt. Nach einem ersten Kontakt per Telefon wurde Klär ein Fragebogen zugeschickt. Darauf konnte er Tätigkeiten auswählen und beschreiben, was seine Motivation ist, zu helfen. Bei dem Stichwort Beruf trug er Bürgermeister ein. Was durchaus zu Nachfragen bei dem zweiten Telefonat mit einem Vereinsvertreter führte. „Man fragte mich noch mal, ob ich mir bewusst sei, dass es nicht um Schreibtisch-, sondern unter anderem um Stallarbeit ginge“, verrät Klär und muss in bisschen dabei schmunzeln. Schließlich bekam er einen Einsatzort zugeteilt: der Niedersteinhof unweit von St. Leonhard im Passeiertal. Vom 24. bis zum 31. Juli ging es für Klär dort hin. „Schon der Empfang war sehr herzlich“, schwärmt der 60-Jährige. Betrieben wird der Bioland-Bergbauernhof von Walter Moosmaier und seiner Frau Caroline. Sie ist Forstingenieurin und kommt ursprünglich aus der Nähe von Stuttgart. Das Paar hat drei Kinder. Als Familie packen sie gemeinsam an. Und auf Zeit auch ein Bürgermeister aus der Kreisstadt St. Wendel.

Der erste Weg führte in den Stall, wo Klär einige der Hoftiere kennen lernen konnte wie Mutterkuh Susi mit Kälbchen Selena und Hofhund Mia. Auch Schweine und Hühner werden auf dem Hof gehalten. Neben freiwilligen Arbeitskräften empfängt die Familie auch regelmäßig Urlauber. Drei Ferienwohnungen stehen als Unterkünfte bereit. Für Peter Klär ging es hoch hinaus. Zu der bereits erwähnten Almhütte auf 2000 Metern Höhe. Dort stand die Heuernte an. Der Bürgermeister zeigte sich beeindruckt, wie gekonnt der Bauer den Traktor an den steilen Hängen steuerte und wie sehr er das, was die Natur ihm liefert, wertschätzt. „Kein einziger Halm wurde liegen gelassen“, sagt Klär. Dieses iologische und zertifizierte Südtiroler Bergwiesenheu, das aus zahlreichen Heilkräutern besteht, ist eine wichtige Einnahmequelle für die Familie. Wie der St. Wendeler Bürgermeister berichtet, füllen sie Kissen und Duftsackerl damit, d

Peter Klär (rechts) mit Walter Moosmaier vom Niedersteinhof

ie sie dann verkaufen. In Harmonie mit der Natur lebte und arbeitete Klär in der Almhütte. „Täglich mussten wir Holz hacken – zum Kochen und zum Heizen“, berichtet er aus dem Alltag. Nach dem Frühstück gegen 7 Uhr ging es gleich an die Arbeit. Steine schleppen für einen Mauerbau, Wege anlegen, Heublumensamen einsäen und gefällte Bäume entästen. „Auch hier wurde nichts verschwendet“ sagt Klär. Walter Moosmaier hat nämlich eine Werkstatt am Hof, in der er Holzarbeiten fertigt.

Die Feierabende verbrachten die drei Männer im Alter von 15, 60 und 82 Jahren mit guten Gesprächen. Einen Fernseher gab es auf der Hütte nicht. Aber der wurde auch nicht vermisst. Während seines Arbeitseinsatzes erfuhr Klär auch die zerstörerische Kraft der Naturgewalten. Ein Unwetter mit Sturm, Gewitter und heftigem Regen brach über die Region herein, inklusive Murenabgängen. „Wir eilten hinunter zum Hof“, berichtet Klär. Dieser liegt auf 900 Metern Höhe und war teils überschwemmt. „Das Heu darf nicht nass werden, daher galt es, dieses in Sicherheit zu bringen“, erläutert Klär. Von 20 Uhr am Abend bis 2 Uhr in der Nacht arbeiteten alle Hand in Hand. Auch die Kinder halfen mit. Wieder auf der Almhütte bot sich dort ein ähnliches Bild. Also ging es wieder daran, Geröll wegzuräumen. Es war eine intensive Zeit in Südtirol. Peter Klär kehrte mit vielen Eindrücken zurück nach St. Wendel. Die Art und Weise, wie Nachhaltigkeit bei Familie Moosmaier gelebt wird, hat ihn beeindruckt. Auch Elektromobilität habe am Hof Einzug erhalten. Mit dem Bauern ist eine Freundschaft entstanden. Dieser sei neugierig auf St. Wendel und wolle zum Weihnachtsmarkt kommen. „Ich kann ein solches Erlebnis nur jedem empfehlen“, betont Klär. Er empfinde Dankbarkeit, dass er mithelfen und diese Erfahrungen sammeln durfte.

 

www.niedersteinhof.it/de
www.bergbauernhilfe.it