17 Nov Schwarzwälder Bote – November 2020
Erfüllt vom Leben inmitten der Natur
Von Birigit Heinig
Arbeiten, wo andere Urlaub machen – für Nathalie Brunner aus Villingen ist diese Idealvorstellung derzeit Wirklichkeit. Die 19-Jährige leistet seit elf Wochen einen freiwilligen Arbeitseinsatz auf einem Bergbauernhof in Südtirol.
VS-Villingen. Der Bergbauernhof liegt auf 1577 Metern Höhe über dem Vinschgau. Mit neun Kühen, 23 Hühnern und zwölf Schafen ist er vergleichsweise klein, doch es fällt so viel Arbeit an, dass die Bauersleute mit ihren vier Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren froh sind um jede helfende Hand. Über den seit 24 Jahren bestehenden „Verein Freiwillige Arbeitseinsätze EO“ des Südtiroler Bauernbundes (www.bergbauernhilfe.it) fanden Nathalie Brunner und die Familie zusammen.
„Schon als kleines Mädchen waren für mich Urlaube auf dem Bauernhof mit meinen Eltern und meinem Bruder immer die schönsten. Dabei hätte ich am liebsten im Stall geschlafen“, erzählt die gelernte Uhrmacherin. Nach der Mittleren Reife an der Karl-Brachat-Realschule absolvierte sie bis Juni 2020 eine Ausbildung mit dem Abschluss der Fachhochschulreife an der Staatlichen Feintechnikschule in Schwenningen. Vor dem Einstieg in den Beruf wollte sie sich aber erst einmal einen Traum erfüllen. Die Arbeit mit Tieren und in der freien Natur habe ihr schon immer viel Spaß gemacht, sagt Nathalie. „Ich liebe es, bei meiner Oma die Gartenarbeit zu erledigen oder bei Freundinnen den Hasenstall auszumisten“. In Südtirol hat sie nun gegen freie Kost und Logis das gefunden, was sie begeistert und tut dabei noch ein gutes Werk.
Gerade die kleinen Bauernhöfe an den Steilhängen kämpfen vielmals ums Überleben. Viel Handarbeit und wenig Personal, jetzt kommt auch noch die Coronapandemie dazu, die Verköstigung von Bergwanderern als willkommene Zusatzeinnahme zurzeit wieder unmöglich macht. Für Nathalie Brunner ist es trotz allem das Paradies. „Hier bin ich den ganzen Tag an der frischen Luft, verrichte körperliche Arbeit und lerne so viele neue Dinge.“
Morgens um halb acht beginnt ihr Tag. Zuerst müssen die Kühe mit Heu gefüttert und der Stall ausgemistet werden. Auch die Hennen bekommen – im Tausch gegen ihre Eier – ihr Frühstück. Bevor sie selbst die erste Mahlzeit des Tages zu sich nimmt, putzt Nathalie noch das Melkzeug und den Milchtank. Nach dem Frühstück werden die Kühe von ihrem Melkplatz abgehängt und auf die Weide gebracht. Danach fallen die unterschiedlichsten Aufgaben an. Sehr anstrengend, weil von Hand am Steilhang zu erledigen, war zu Beginn ihres Aufenthaltes der zweite Heuschnitt, auch „Grummet“ genannt. Bis zum Lockdown durch Corona gab es zudem an vier Tagen der Woche viel Arbeit für die Wandergäste des Hofschanks. Derzeit unterstützt Nathalie die Familie neben der Versorgung der Tiere vor allem im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, kümmert sich um die Gemüsebeete und holt jeden Abend die Kühe zum Melken in den Stall zurück. Zwischen 20 und 21 Uhr ist für sie Feierabend.
Nach besonders schönen Erlebnissen gefragt, muss Nathalie Brunner nicht lange überlegen. Vom Abend, an dem einfach nur geredet oder gespielt und viel gelacht werde, über die Geburt eines Lämmchens, die drei Katzen, die einem um die Beine streichen, oder das Hundebaby als neues Familienmitglied, bis hin zu einem morgendlichen Sonnenaufgang gebe es davon so viele. „Ich erlebe hier, wie erfüllend und ausgleichend ein Leben ohne Konsum, inmitten urwüchsiger Natur und mit körperlicher Arbeit sein kann und ich werde diese Ruhe von hier mit nach Hause nehmen.“
In drei Wochen ist es soweit, dann kehrt Nathalie Brunner nach Villingen zurück. Wie ihr Leben weitergeht, darüber muss sich die Bauernhof-Expertin jetzt Gedanken machen. „Ich würde gerne irgendwo als Uhrmacherin arbeiten, doch wegen Corona ist es derzeit besonders schwer, im Umkreis meiner Heimatstadt eine Stelle zu bekommen“.
Von Birgit Heinig 10.11.2020 – 18:30 Uhr
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