Tiroler Bauernkalender 2018 „Unsere Zeit bei der Bergbäuerin in Südtirol“

Tiroler Bauernkalender 2018 „Unsere Zeit bei der Bergbäuerin in Südtirol“

Claudia Bork aus Bayern erzählt von ihrem dritten Einsatz auf einem Bergbauernhof im Ridnauntal.

Von Claudia Bork

Ein Einsatz auf einem Bergbauernhof in Südtirol – Natürlich taucht da im Vorfeld die Frage auf: Soll ich meine Freizeit opfern, um woanders zu arbeiten? Aber wir kamen zu dem Schluss, ja, das ist es wert. Wir wollen nicht nur konsumieren, die wunderbare Kulturberglandschaft genießen, sondern auch denen etwas zurückgeben, die diese typische Südtiroler Landschaft in harter Arbeit erhalten und bewirtschaften.

Beworben habe ich mich das erste Mal im Jahr 2011 beim Verein Freiwillige Arbeitseinsätze.

Über die Internetseite www.bergbauernhilfe.it habe ich meine Anmeldung ausgefüllt und abgeschickt. Nach kurzer Zeit kontaktierte mich eine Mitarbeiterin des Vereins und wir führten ein eingehendes Gespräch. Einen Monat vor Einsatzbeginn bekam ich schließlich kurze Betriebsspiegel von vier Südtiroler Bergbauernbetrieben zugeschickt, die in dem von mir gewählten Zeitraum Hilfe bei der Arbeit auf dem Hof, im Stall, im Haus und besonders bei der Heuernte benötigten.

Im letzten Jahr, es war mein dritter Einsatz, nahm ich auch meinen Lebensgefährten Bernhard mit. Bei der Anmeldung gaben wir den mir schon bekannten Hof in Mareit als Wunschort an. Die Bäuerin vom Hof war erfreut, dass wir gerade zum „Groamat“ (zweite Mahd) auf den Hof kamen und so hofften wir alle auf schönes, sonniges Wetter.

Unser Tag begann früh, denn als die Melkmaschine unter unserem Schlafzimmer zu laufen begann, wurden wir schnell wach. Als wir dann in die „Kuchl“ kamen, stand schon der italienische Espressokaffee auf dem Herd, daneben frische Kuhmilch. Die Bäuerin kam dann aus dem Stall und wir haben zusammen ausgiebig gefrühstückt und besprochen, was an diesem Tag auf dem Programm stand.

Zuerst einmal Kühe austreiben. Alle sechs Kühe, die sechs Kälber und der Esel Fridolin durften morgens auf die Weide, einen steilen Berghang, auf dem sie zwischen Bäumen und Buschwerk feine Berggräser fanden. Das dauerte schon seine Zeit, denn nicht alle Kühe gingen so, wie man es von ihnen erwartete und hatten durchaus ihren eigenen Kopf – angetrieben von dem frechen Esel, der in seinem Übermut der einen oder anderen Kuh ins Hinterteil zwickte. Anschließend ging es dann aufs Feld, Wiesenleiten, die in manchen Teilen bis 60 Grad steil waren. Als erstes wurde das am Vortag gemähte Gras „umverteilt“, d.h. gleichmäßig über die ganze Fläche verbreitet. Das mitgebrachte Trinkwasser wurde dabei immer ein Stück weiter nach unten geworfen. Leider kam es vor, dass bei dieser Steilheit die Flasche zu weit rutschte und man so erst einige Zeit später, als man am Fuße des Hangs ankam, wieder etwas zum Trinken hatte. Anschließend wurde der nächste Teil der Wiese, der schon am Vortag umverteilt wurde, „gekehrt“, also gewendet.

Das Mittagessen war je nach Köchin etwas typisch Südtirolerisches, wie z. B. Schlutzkrapfen mit Butter und Parmesan oder eben etwas typisch Bayerisches. Danach legten wir eine Pause ein, bis die Kühe lauthals verkündeten, dass ihnen zu heiß und die Fliegen zu lästig wurden und sie wieder in den kühlen Stall zurückwollten.

Am Nachmittag ging es wieder hinaus aufs Feld, um das Heu einzubringen. Wir arbeiteten uns mit dem Rechen von oben nach unten vor, bis wir das Heu auf den kleinen Fahrwegen, die in den Hang gebaut worden waren, ansammeln konnten. Oft waren die Berge am Hang so groß, dass wir gerade noch drüber schauen konnten. In den steilsten Passagen fing das Heu alleine zu rollen an, was ich sehr erleichternd fand. Als wir das Geräusch des Transporters, ein kleines, leistungsfähiges Fahrzeug mit Ladewagen, hörten und das Lächeln im Gesicht der Bäuerin sahen, wussten wir, dass ihr Mann, der untertags bei einer Pistenraupenfirma arbeitete, mit dem Transporter zu uns herunter tuckerte, um das Heu einzufahren.

Wenn unten kein Weg war, was bei einem Bereich leider der Fall ist, wurde das Heu mit der Heugabel bis zum Weg nach oben getragen – gottseidank überwiegend Männerarbeit. Einmal drohte ein Gewitter die Tagesfuhre zu verregnen und plötzlich waren wie von Zauberhand einige Menschen da, die mithalfen: der Nachbar und sein Sohn, dessen Freundin und der ältere Sohn des Hofes, der gerade Papa geworden war. Zu acht haben wir es gerade noch geschafft, das Heu trocken einzubringen, ehe die ersten Regentropfen fielen.

Inzwischen war auch der zweite Sohn nach Hause gekommen und kam mit dem Balkenmäher den Weg herunter. Der Balkenmäher ist nicht so ein zierliches Gefährt wie bei uns in Bayern, sondern hat 80 cm breite Aluräder mit zehn Zentimeter langen Stollen. Beim Kauf dieses Geräts werden vom Hersteller die Steigeisen für den Menschen gleich mitgeliefert, ohne die man gewisse Passagen nicht mähen könnte. Es ist schon bemerkenswert, dass ein junger Mann, der gewiss viele andere Interessen hat, nach einem Arbeitstag noch zwei Stunden in den steilen Wiesen herumstapft, um das Pensum für den nächsten Tag zu erarbeiten. Einmal hat er den Balkenmäher jedoch abrupt stehen gelassen und ist den Hang heruntergerannt: Er war in ein Wespennest geraten….

Wir haben in der Zeit das Abendessen zubereitet, Kuhgras gemäht und eingefahren und die zwei Kälber gefüttert, während die Bäuerin ihre Kühe gemolken und die Kälbergefüttert hat. Vor acht Uhr abends war an Abendessen meist nicht zu denken, aber danach saßen wir oft noch vorm Haus und haben uns ein halbes Bier schmecken lassen, mit Blick auf den einmalig schönen Abendhimmel vor der schroffen Bergkulisse mit Zuckerhütl, Wilder Freiger und Agglspitze.

Neben der Heuarbeit haben wir auch andere Arbeiten erledigt, wie zum Beispiel Holz aufrichten, handwerkliche oder auch hauswirtschaftliche Arbeiten. Es fällt ja so vieles an auf einem Bauernhof. Das schönste jedoch ist, dass unsere Arbeit so geschätzt wurde.

Wir haben nach der Zeit auf dem Hof noch eine Woche Urlaub in den Dolomiten gemacht. Auf dem Rückweg wollten wir nochmals kurz in Mareit vorbeischauen und haben die Bäuerin angerufen, ob wir eventuell etwas aus Sterzing besorgen und mitbringen sollten.

Die neue Helferin am Hof hat berichtet, dass die Bäuerin sofort nach dem Telefonat alles stehen und liegen ließ und in die Küche eilte, um für Bernhard „Apfelkiachl“ zuzubereiten, weil er die „schmalzbachenen Sachen“ so gern hat.

Ich denke, dass heutzutage ohne die vielen freiwilligen Helfer viele Höfe in Südtirol nicht mehr zu bewirtschaften sind, da die Erhaltung des Hofes nur nebenberuflich möglich ist, und somit die Arbeitskräfte für die mühsame Arbeit auf dem Hof nicht ausreichen würden. Dieses Jahr hatten 340 Bergbauernhöfe bei der Bergbauernhilfe um Helfer angefragt. Gott sei Dank finden sich dann jährlich etwa 2.000 Idealisten, die bereit sind, ihre Freizeit in den Dienst der Südtiroler Bergbauern zu stellen.